Frage: Ich habe den Eindruck, dass eine Einreichung für einen Call for Papers (CfP) einer Konferenz lockerer geschrieben sein darf als ein Promotionsexposé für eine Fördereinrichtung, Beides sind Bewerbungstexte, aber bei Letzterem geht es ja um Geld. Wie unterscheiden sich die beiden Textsorten sprachlich?
Antwort: Ich vermute, es fällt Ihnen momentan leichter, einen CfP zu beantworten, als Ihr Promotionsexposé zu verfassen, denn:
- Bei einem CfP ist Ihnen anders als beim Promotionsexposé die Zielgruppe klarer vor Augen. Eventuell kennen Sie namentlich die ausschreibenden Personen oder wissen sogar, wer ebenfalls einen Beitrag auf den Call einreichen wird. Sie sind Teil einer Expert_innengruppe und fühlen sich dort gut aufgehoben. Das ist ein wichtiger sozialer Aspekt.
- Der CfP lädt zu einer Konferenz oder einem Sammelband/Journal ein und geht oft ausführlich auf Thema und Aspekte ein, zu denen die Beiträge eingereicht werden können. So ein definierter äußerer Rahmen kann das Schreiben sehr erleichtern.
- Der Inhalt ist stark begrenzt. Während ein Exposé ein komplexes Forschungsprojekt auch für Fachfremde aufbereiten muss, darf ein Konferenzbeitrag auch nur einen Ausschnitt eines Work in Progress vorstellen.
Sich sicher fühlen mit Thema und Kontext ermöglicht ‚lockere‘ Texte
Dieser konkrete Rahmen kann Ihnen Sicherheit verleihen. Dann profitiert Ihr Schreibstil davon und klingt entspannt. Dagegen haben Sie es beim Promotionsexposé – auch wegen der Vertraulichkeit des Verfahrens – viel eher mit einer Black box zu tun. Und es geht um eine Entscheidung, die Ihre nächsten Lebensjahre prägen wird. Deswegen könnten Sie das Formulieren als ‚ernster‘ empfinden. Grundsätzlich aber sind beide Textsorten ‚kleine Formen‘ des wissenschaftlichen Schreibens: eine Art Gebrauchs-Texte des Wissenschaftsalltags, die für Auswahlverfahren gedacht sind.
Hier finden Sie Hinweise zum Aufbau, mit dem Sie bei einem CfP überzeugen. Und hier gehe ich noch genauer auf den Stil eines Promotionsexposés ein.
„Form follows function“: So funktionieren ‚kleine Formen‘ in einem Auswahlverfahren
Was den Sprachstil betrifft, gilt auch für wissenschaftliche Texte der Leitsatz des modernen Designs: „Form follows function“. Der Zweck der kleinen Formen ist es hier, Lesende in einem Auswahlverfahren schnell zu informieren. Also ist eine leserfreundliche klare, verständliche Sprache dieser Funktion angemessen. Umgekehrt gilt übrigens dasselbe: Wenn Sie Ihr Promotionsprojekt für sich gut geklärt haben, können Sie es auch anderen genauso ‚locker‘ erklären wie in einem Proposal für ein CfP.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre
Dr. Daniela Liebscher
Tipp:
Das DFG-Graduiertenkolleg 2190 an der HU Berlin untersucht „Kleine Formen – Literatur- und Wissensgeschichte kleiner Formen“ des Schreibens und Notierens, die mit beschränkten Zeit- und Platzvorgaben umgehen müssen und zugleich Wissen, Ideen und Beobachtungen vermitteln. Es geht um Textsorten wie Skizzen, Abstracts, Notizen, Protokolle, Exzerpte, Essays, Artikel und Glossen und anderes mehr. Zum Forschungsprogamm hier.