Frage: Ich habe so viel gelesen. Wie verarbeite ich jetzt die gesammelten Zitate in meiner Dissertation?
Antwort: Schön, dass Sie Ihre Lektüre so sorgfältig begleiten! Die Promotion ist ja eine der wenigen Gelegenheiten im Leben, ein Thema ausgiebig zu ergründen. Benutzen Sie für Ihre „Ernte“ ein Literaturverwaltungsprogramm?
Literaturverwaltungsprogramme verleiten zum Zitate-Sammeln
Ich sehe in der Digitalisierung der Literaturverwaltung inzwischen einen der Gründe für die „Zitatkrise“. Es ist wie mit dem Autofahren: Autos sind heutzutage so sicher gebaut, dass die Fahrenden gar nicht mehr richtig merken, wie risikoreich sie unterwegs sind. Ähnlich helfen Literaturverwaltungsprogramme einerseits, der wachsenden Flut an Forschungsliteratur mit einer sinnvollen Lösung beizukommen. Andererseits verleiten sie dazu, ungebremst Zitate einzupflegen. Diese lassen sich zudem technisch leicht mit dem Text verknüpfen. So wächst offenbar der Eindruck, die meisten Zitate in die Dissertation auch einarbeiten zu sollen.
Wechseln Sie von der Mikro- zur Makroebene
Unabhängig von einer digitalen Literaturverwaltung produzieren Datenerhebung und Lektüre immer eine Fülle an kleinteiligem Material. Wechseln Sie daher schon beim Lesen ab und an auf die Makroebene. Parken Sie – um im Bild zu bleiben – Ihr Auto an einem Panoramapunkt und schauen Sie sich um. Wo genau stehen Sie jetzt in Ihrer Forschungslandschaft? Klären Sie Ihren Standpunkt:
- Besinnen Sie sich auf Ihre Forschungsfrage: Wie lautet die Leitfrage Ihres Projekts? Was wollten Sie ursprünglich wissen?
- Fassen Sie Ihre Forschungsergebnisse zusammen: Was haben Sie bisher herausgefunden? Welche Beweiskraft steckt in Ihrem Material?
Notieren Sie Ihre Kernaussagen in 3-5 Hauptsätzen.
Überzeugen Sie mit Ihren Kernaussagen
In Ihrer Dissertation müssen Sie am Ende Ihre Fachgemeinschaft von Ihrer Forschungsleistung überzeugen. Dazu brauchen Sie eine spannende Leitfrage und Ergebnisse, die Sie durch „Mikromaterial“ belegen. Sie zeigen Ihre Kompetenz, indem Sie aus Ihrer Materialfülle eine Auswahl treffen. Fragen Sie sich bei jedem Zitat: „Brauche ich es wirklich für das, was ich zeigen/sagen will?“ Wenn Ihnen die Auswahl gelingt, sind Sie auf einem guten Weg. Ob mit oder ohne Auto.
Es grüßt sie herzlich aus dem [schreibzentrum.berlin]
Ihre
Dr. Daniela Liebscher
P.S. In Schreibcoachings können Sie Ihre ganz persönliche Lese- und Zitierstrategie analysieren und durch ausgewählte Techniken erweitern.