Frage: Ich fühle mich überfordert mit dem Berg an Literatur, den ich für meine Dissertation lesen muss – wie soll ich jemals schaffen, das alles zu lesen?
Antwort: Für die Dissertation müssen Promovierende einen Überblick über ein großes Pensum an Literatur gewinnen. Viele Promovierende finden es herausfordernd, diese Flut an Informationen sinnvoll zu strukturieren. Oft entsteht der Eindruck, dass sie alles, was jemals zu ihrem Thema geschrieben wurde, gründlich lesen müssten. Das ist jedoch nicht erforderlich. Um die Literaturberge zu bewältigen, ist eine bewusste Auswahl der zu lesenden Texte notwendig. Dabei liegt es in Ihrer Verantwortung zu bestimmen, welche Literatur wirklich relevant ist.
Texte gezielt auswählen
Die Grundlage für die Auswahl und Eingrenzung Ihrer Literatur bildet eine präzise Forschungsfrage. Die Fragestellung definiert, welche Aspekte eines Themas Sie bearbeiten und welche nicht. Mit einer klar formulierten Forschungsfrage vermeiden Sie es, sich zu verzetteln und zu viele Texte zu lesen, die für das eigentliche Thema nicht relevant sind.
Kategorien für eine strukturierte Literaturauswahl nutzen
Sie haben Ihre Fragestellung präzise formuliert. Wie gehen Sie nun bei der Auswahl von Literatur vor? Eine hilfreiche Methode zur Strukturierung bietet Judith Wolfsberger in ihrem Schreibratgeber „freigeschrieben“ an. Sie unterscheidet drei Kategorien von Texten oder Büchern:
- Die Freund*innen – Basisliteratur
- Die Bekannten – Nebentexte
- Die Hausierer – Retourbücher
Die Freund*innen sind die Basistexte – zentrale Bücher und Aufsätze, die umfassend rezipiert werden und die Grundlage der eigenen Arbeit bilden.
Die Bekannten sind Nebentexte – für Kapitel oder einzelne Textstellen, die spezifische Aspekte des Themas beleuchten. Sie werden selektiv genutzt, um bestimmte Argumente oder Perspektiven zu ergänzen, ohne jedoch die Hauptquelle der eigenen Arbeit zu sein.
Die Hausierer sind Retourbücher – Texte, die nicht im Fokus der Arbeit stehen, aber dennoch für Fußnoten oder ergänzende Verweise genutzt werden können. Sie zeigen, dass Sie die Literatur umfassend zur Kenntnis genommen haben, müssen jedoch nicht im Detail gelesen und ausgewertet werden.
Um eine sinnvolle Einteilung in diese drei Kategorien vornehmen zu können, müssen Sie zunächst Ihre Literatur sichten, um je nach Kategorie dann zu entscheiden, ob Sie die Literatur gründlich lesen wollen oder nicht. Wenn Sie das sicher wissen, wird sich auch der Literaturberg in eine überschaubare Textmenge verwandeln.
Viel Erfolg dabei wünscht aus dem schreibzentrum.berlin
Ihre Dr. Andrea Adams
Literatur: Judith Wolfsberger: Frei geschrieben. Mut, Freiheit und Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten, Böhlau Wien, 2016.