Wie umfangreich müssen Doktorarbeiten in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften sein?

Vignette des [schreibzentrum.berlin] zu Montags-#Schreibtipps rund ums wissenschaftliche SchreibenFrage: In meinem Fach Geschichte sind umfangreiche Doktorarbeiten von 400-500 Seiten fast schon üblich. Meine Betreuungsperson sagt aber jetzt, dass 250 Seiten reichen. Was ist denn ein realistischer Umfang für eine Dissertation in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften?

Antwort Für den Umfang einer Dissertation entscheidet tatsächlich die Praxis in den Fächern. In den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften hierzulande ist es weiterhin üblich, die Dissertation als Buch zu veröffentlichen, das auch über 300 Seiten stark sein darf. Der wissenschaftliche Buchmarkt in Deutschland reguliert die Länge der Manuskripte nicht wirklich,

  1. weil die Promovierenden die Veröffentlichung selbst finanzieren müssen. Das tun sie auch, um den Doktortitel zu erhalten.
  2. weil die meisten Fachverlage das wissenschaftliche Lektorat aus Kostengründen abgeschafft haben. Sie können dank PDF-Format ohne viel Aufwand auch langatmige Manuskripte drucken.
  3. weil die Autor_innen Druckkostenzuschüsse auch für „sehr gute“ umfangreiche Dissertationen einwerben können.

In angelsächsischen Ländern werden die Promovierenden von Betreuungspersonen, Schreibcoaches und auch Ratgebern offensiver angehalten, 200 – 300 Seiten bzw. ca. 100.000 Wörter anzupeilen. Ein Dissertationsmanuskript muss für den kommerziellen Buchmarkt leserorientierter aufbereitet und ggf. entsprechend gekürzt werden.

Seit einigen Jahren nehme ich wahr, dass Betreuende in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften auch hierzulande 250-300 Seiten als angemessene Länge für eine geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Doktorarbeit empfehlen. Sie können sich an diesem Richtwert orientieren.

Mit folgenden drei Stellschrauben beeinflussen Sie den Umfang:

  • Forschungsfrage: Gerade geisteswissenschaftliche Doktorarbeiten neigen zu sehr großen Forschungsfragen.

Grenzen Sie früh Ihre Leitfrage – und damit den Umfang der Arbeit – ein. Fragen Sie sich spätestens nach der Datenerhebung: Was beantwortet mein Material am besten?

  • Forschungsmethode: Bei Methoden, die Details analysieren oder qualitativ Daten erheben, nehmen kleinteilige Belege und umfangreiche Beschreibungen Raum ein.

Fragen Sie sich immer wieder: Ändert dieser Beleg oder dieses Detail wirklich mein Hauptergebnis?

  • Erwartungen Ihrer Betreuungsperson: Die Vorstellungen über den angemessenen Umfang können innerhalb eines Fachs variieren.

Fragen Sie früh nach den Erwartungen Ihrer Betreuungsperson_en. Viele begutachten lieber 250 statt 400 Seiten! Falls Sie doch mehr schreiben oder Ihre Betreuung mehr sehen möchte, sollten Sie den Umfang fachlich begründen.

Viel Erfolg wünscht Ihnen

Ihre Dr. Daniela Liebscher

E. Liebscher