Relevante Texte schnell identifizieren. Strategien für den Umgang mit Fachliteratur

Vignette des [schreibzentrum.berlin] zu Montags-#Schreibtipps rund ums wissenschaftliche SchreibenFrage: Mir passiert es beim Lesen immer wieder, dass ich im Nachhinein feststelle, dass der Text für mein Dissertationsthema doch nicht so relevant war. Zu dem Zeitpunkt habe ich dann schon viel Zeit damit verbracht, den Text zu gründlich zu lesen, Notizen zu machen und Zitate herauszuschreiben. Wie erkenne ich schnell, welche Texte für meine Dissertation wirklich wichtig sind?

Antwort: Das kenne ich! Zu Beginn meiner Dissertation ist es mir auch häufiger passiert, dass ich mich „festgelesen“ habe und Stunden mit einem Text oder Buch zubrachte, bevor ich realisierte, dass die Literatur nicht relevant war für mein Thema und zu weit von meiner eigentlichen Fragestellung weg führte. Die Lösung war, verschiedene Lesetechniken einzusetzen, die ich zwar eigentlich schon kannte, aber nicht zielgerichtet verwendete. Um diese Lesetechniken fruchtbar anzuwenden, ist es relevant, das jeweilige Leseziel zu reflektieren.

Die Wahl der Lesemethode hängt vom Leseziel ab

Durch das Studium ist häufig die Lesetechnik „Gründliches Lesen“ bekannt.  Sie ist dafür geeignet, den gesamten Inhalt eines Textes vollständig zu erfassen, Aufbau und Argument nachzuvollziehen zu können und zu einer analytischen Einschätzung des Gesagten zu kommen. Gründliches Lesen ist dann angebracht, wenn Sie etwas Neues lernen oder ein tiefgehendes Verständnis des Textes erlangen möchten.  Wenn Sie diese Lesetechnik jedoch bei allen Texten anwenden, die Sie für eine Dissertation lesen müssen, kommt es schnell zur Überforderung und dem von Ihnen beschriebenen Problem.

Um einen allgemeinen Überblick über den Text zu gewinnen ohne zu tief einzusteigen, benutzen Sie besser die Lesetechnik „Orientierendes Lesen“, oft auch als „Skimming“ bezeichnet. Dabei überfliegen Sie den Text und konzentrieren sich auf Überschriften, Einleitungen, Zusammenfassungen und hervorgehobene Begriffe, um das Hauptthema und die Struktur des Textes zu erfassen. Diese Methode eignet sich, um zu entscheiden, ob ein Text für die eigenen Zwecke relevant ist.

Wenn Sie in umfangreicheren Texten oder Büchern bestimmte Informationen finden möchten, Sie zum Beispiel nur eine bestimmte theoretische Definition interessiert, hilft die Lesetechnik „Selektives Lesen“, auch als „Scanning“ bezeichnet. Hierbei haben Sie spezifische Fragen oder Themen im Kopf und durchsuchen den Text nach relevanten Schlüsselwörtern oder Abschnitten, die diese Informationen enthalten. Eine Voraussetzung ist, dass Sie schon genau wissen, was Sie suchen. Selektives Lesen ist eine Mischung aus orientierendem und gründlichen Lesen: Sie überfliegen den Text um relevante Passagen zu finden, die Sie dann intensiver bearbeiten. Wenn der Text digital vorliegt, können Sie natürlich die Suchfunktion nutzen, um die relevanten Abschnitte im Text zu identifizieren.

Lesetechniken für einen gezielten Umgang mit Fachliteratur

Der bewusste Einsatz verschiedener Lesetechniken hilft Ihnen, sich nicht in der Literatur zu verlieren und wertvolle Zeit zu sparen. Bei allen Lesetechniken ist essenziell, sich auf das Lesen vorzubereiten und zu klären, welches Leseziel Sie erreichen möchten. Hilfreich ist es ebenfalls, Fragen an den Text zu stellen und sich Notizen zu machen. Darum wird es in meinen nächsten Schreibtipp gehen, der am 7. Juli erscheint!

Alles Gute beim Ausprobieren wünscht Ihre
Dr. Andrea Adams aus dem [schreibzentrum.berlin]

 

Lesen Sie auch: „Die Literaturflut bewältigen“ und „Beim Lesen Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden


Literatur: Ulrike Lange. Fachtexte lesen – verstehen – wiedergeben. UTB Schoeningh, 2013.

E. Liebscher