Wie kann ich „wissenschaftlicher“ schreiben und meinen Schreibstil verbessern?

Vignette des [schreibzentrum.berlin] zu Montags-#Schreibtipps rund ums wissenschaftliche SchreibenAntwort: Die Frage treibt viele wissenschaftlich Schreibende um: Sie sind unsicher, wie ein wissenschaftlicher Schreibstil gelingen kann. Manche Schreibende befürchten, dass der eigene Stil zu umgangssprachlich ist, andere möchten einfach eleganter schreiben, wissen aber nicht wie. Die dritten zweifeln daran, wie sie das Fachvokabular verwenden sollen, welches für ihre Disziplin notwendig ist. Oder sie schreiben in einer Fremdsprache und fühlen sich deshalb unsicher.

Es gibt jede Menge Stilratgeber und Tipps in Buchform und im Internet, die allgemeine Regeln für guten (wissenschaftlichen) Stil vermitteln. Zusätzlich sind zuletzt auch ChatGPT und andere KI-Tools hinzugekommen, die – trotz der Probleme, die damit verbunden sind – beim Überarbeiten helfen können. Für Schreiber*innen auf Englisch habe ich neulich die Manchester Phrase Bank vorgestellt, die den Einstieg in typische Satzmuster erleichtern kann. In diesem Schreibtipp möchte ich das Arbeiten mit einem „Modellartikel“ erläutern, wie es Wendy Belcher beschrieben hat (siehe Literaturhinweis am Ende des Textes).

Wie funktioniert das Schreiben in meinem Fach?

Es gibt zwar Stilregeln, die übergreifend für alle wissenschaftlichen Bereiche gelten, aber guter wissenschaftlicher Stil ist dennoch stark davon abhängig, in welchem Fach geschrieben wird. So verfügen viele Disziplinen über einen eigenen Fachjargon, mitunter gelten unterschiedliche Schreibkonventionen, etwa, ob die Autor_innen aus der Ich-Perspektive argumentieren können. In manchen Fachgebiete darf zudem der Stil lebendiger sein. Um gut im eigenen Fach zu schreiben, müssen Sie also die Konventionen kennen.

Hier kommt der Modellartikel ins Spiel: Sie suchen sich einen (oder besser mehrere) Beispieltexte aus der eigenen Disziplin aus. Dann untersuchen sie diese Artikel danach, was guten wissenschaftlichen Stil in Ihrem Fach ausmacht.

Sie sollten einen Text nehmen, den Sie gerne gelesen haben und den Sie als gutgeschrieben einschätzen. Der Text sollte zwar in Ihrer Teildiszipin verortet sein, aber für Ihre Forschung inhaltlich nicht von größerem Interesse sein. Dann fällt es leichter, den Text auf seine Funktonalität zu lesen und sich nicht vom Inhalt „ablenken“ zu lassen. Weil prominente Autor_innen es sich mitunter leisten können, sich nicht an Regeln zu halten, ist es besser, keinen Text von Stars aus Ihrem Fach zu nehmen.

Arbeiten mit dem Modellartikel: Stellen Sie Fragen!

Nun kommt es darauf an, was genau ihre Frage hinsichtlich des wissenschaftlichen Stils ist. Möchten Sie herausfinden, wie im Text das empirische Material eingearbeitet wird? Oder Bilder und Grafiken erklärt werden?  Geht es um Argumentation und Struktur oder den Schreibstil? In jedem Fall wäre jetzt Ihre Aufgabe, den Artikel genau auf Ihre Frage hin zu untersuchen: Wie macht der Autor oder die Autorin das genau?

Wenn Sie sich zum Beispiel die Struktur und Argumentation eines Artikels ansehen möchten, wäre jetzt Ihre Aufgabe, den Artikel Absatz für Absatz durchzugehen und sich folgende Fragen zu stellen:

  • Wie wird das Argument aufgebaut?
  • Wie ist die Abfolge der Absätze, was wird zuerst dargestellt, was später?
  • Geben Sie den Absätzen Inhaltsüberschriften und versuchen Sie, den roten Faden nachzuvollziehen.

Wenn Sie sich eher für Stil interessieren, könnten Sie folgende Fragen an den Text stellen:

  • Welche Fachwörter werden wie benutzt und eingeführt?
  • Erscheint Ihnen der Gebrauch davon angemessen oder zuviel?
  • Abgesehen von den Fachtermini, gibt es eine fachspezifische Sprache, in der geschrieben wird?
  • Gibt es Phrasen oder Redewendungen, die Ihnen treffend erscheinen und die Sie gerne nutzen würden?
  • Wie werden die Übergänge zwischen Absätzen gestaltet?

Zum Abschluss schreiben Sie die für Sie wichtigsten Punkte auf, die Sie aus dem Fachtext lernen möchten: Was finden Sie gelungen, was möchten Sie für Ihr eigenes Schreiben übernehmen? Sinnvoll ist es auch, ein Glossar oder eine Übersicht von Redewendungen oder Satzanfängen anzulegen.  Durch eine solche eigene „Stilfibel“ können Sie langfristig mehr Sicherheit erlagen und ihren eigenen wissenschaftlichen Schreibstil herausbilden.

Viel Erfolg und mit herzlichem Gruß aus dem [schreibzentrum.berlin]

Ihre

Dr. Andrea Adams


Literatur:

Wendy Belcher: Writing Your Journal Article in Twelve Weeks: A Guide to Academic Publishing Success. University of Chicago Press, June 2019.

E. Liebscher