Eine Aussage belegen oder nicht belegen?

Vignette des [schreibzentrum.berlin] zu Montags-#Schreibtipps rund ums wissenschaftliche SchreibenFrage: Beim Schreiben ertappe ich mich immer wieder bei der Frage, ob ich für den Satz, den ich gerade geschrieben habe, nicht eigentlich einen Beleg bringen müsste. Zum Beispiel in meiner medizinischen Doktorarbeit bei einem Satz wie: „Das Knie ist das größte Gelenk im menschlichen Körper.“ Das stammt ja nicht von mir. Muss oder sollte ich das belegen?

Antwort: Die Frage, was belegt werden muss und was nicht, treibt viele Schreibende um. Für die Entscheidung für oder gegen einen Beleg hilft eine Einschätzung, ob es sich bei einer Aussage womöglich um fachliches Basiswissen handelt. Wertvolle Hinweise, wie Sie fachliches Basiswissen identifizieren können, gibt Stefan Bagusche, auf dessen Überlegungen zu „fachspezifischem Allgemeinwissen“ sich die folgende Definition und die anschließende Indizien-Liste stützen (siehe Literaturhinweis am Ende des Textes).

Was ist fachliches Basiswissen?

In jeder wissenschaftlichen Disziplin gibt es ein spezifisches Basis- oder Allgemeinwissen. Dazu können Begriffe, Methoden, Namen, Phänomene, Ereignisse oder Zusammenhänge gehören. Basiswissen ist es dann,

  • wenn (fast) alle Angehörigen eines Fachs oder Arbeitsbereiches dieses Wissen teilen (oder zumindest teilen sollten).

Das könnte beispielsweise auf das zutreffen, was Sie in Einführungs- oder Grundlagenseminaren in Ihrem Studium lernen.

Was sind Indizien für fachliches Basiswissen?

Dafür, ob eine Aussage in Ihrem Fach als Allgemeinwissen verstanden wird, können Sie insbesondere folgende vier Indizien heranziehen:

Die Aussage …

  • gilt in Ihrem Fach oder Arbeitsbereich als unstrittig, ist allgemein als Faktum anerkannt und wird nicht kontrovers diskutiert.
  • erscheint in Büchern und Artikeln Ihrer Disziplin weder als Zitat noch mit einem Beleg.
  • wird von Angehörigen Ihres Fachs oder Arbeitsbereiches selbst ausdrücklich als fachliches Grund- oder Allgemeinwissen bezeichnet.
  • steht in Einführungs- und Grundlagenwerken Ihres Fachs, in allgemeinen Nachschlagewerken, in schulischen Lehrwerken oder im speziellen Fall von Formeln in Formelsammlungen.

Belegen oder nicht belegen?

Ich vermute, dass auf den Satz „Das Knie ist das größte Gelenk im menschlichen Körper“ hier sogar alle vier Indizien zutreffen, wenn Sie im Bereich Medizin/Anatomie, und zumindest der erste und letzte Punkt, wenn Sie in Fächern wie Sport oder Biologie forschen. In diesen Kontexten müssen Sie diese Aussage nicht belegen, weil Sie erwarten dürfen, dass Ihre Leserschaft über dieses Wissen ebenso verfügt wie Sie. Ein Beleg hierzu könnte möglicherweise sogar als negatives Signal dahingehend interpretiert werden, dass Sie selbst nicht sicher über dieses Wissen verfügen und es daher lieber mit einem Beleg stützen wollen.

Etwas anders verhält es sich, wenn Sie sich beispielsweise in einer interdisziplinären Zeitschrift an eine breitere Leserschaft wenden. Dann können darunter Personen sein, für die die betreffende Aussage nicht Basis-, sondern spezifisches Wissen darstellt, über das sie nicht verfügen. In diesem Fall kann es sinnvoll sein, die betreffenden Aussagen entweder zu belegen oder mit etwas Hintergrund zu erläutern.

 

Mit herzlichem Gruß aus dem [schreibzentrum.berlin]

Ihr

Dr. Sven Arnold

 

Literatur:

Stefan Bagusche: „Richtig zitieren – eine Einführung“. Bibliothek Umwelt-Campus Birkenfeld, Version: 28. Februar 2013. URL: https://www.umwelt-campus.de/fileadmin/Umwelt-Campus/Bibliothek/Download-Dokumente/Ratgeber_Bibliothek_-_Doppelung_bei_HT/Zitieren/Zitieren__Crashkurs__-_2013-02-28.pdf , S. 11.

Lesen Sie dazu auch den Beitrag „Zu viele Quellenbelege im Text?

E. Liebscher