Wie formuliere ich Absätze in einem wissenschaftlichen Text?

Frage: Ich habe Schwierigkeiten, Argumentation und Quellen beim Schreiben eines Absatzes logisch zusammenzubringen. Das Feedback, das ich erhalten habe, lautet: Ich solle weniger Aussagen aneinanderreihen, sondern mehr argumentieren. Ich verstehe zwar, was gemeint ist, aber wie setze ich das praktisch um?

Antwort: Sie sprechen eine zentrale Frage des wissenschaftlichen Handwerks an. Tatsächlich geht es beim Schreiben von Absätzen darum, Lesende von Ihren Kernaussagen Schritt für Schritt zu überzeugen. Leider wird das Absatz-Schreiben kaum geübt. Ich beschreibe Ihnen daher hier ein paar Faustregeln:

1. Es gilt: Pro Gedanke ein Absatz.

Zeigen Sie bereits im Schriftbild, dass Sie Ihre Gedanken ordnen können.

2. Ein Absatz ist aufgebaut wie der Gesamttext: Einleitung – Hauptteil – Schlussfolgerung.

Die ‚Einleitung‘ geschieht durch den ersten Satz. Hier präsentieren Sie Ihre Hauptaussage, ein Ergebnis, eine Behauptung. Es folgt der ‚Hauptteil‘: Ihr Einleitungssatz braucht eine Erläuterung. Danach unterstützen Sie ihn mit Belegen oder Beispielen. In wissenschaftlichen Texten sind solche Belege in der Regel Verweise auf wissenschaftliche Erkenntnisse anderer Autor.innen (Literatur) oder andere Quellen. Aus dieser Darlegung ziehen Sie am Ende eine ‚Schlussfolgerung‘ für Ihren Gedankengang.

3. Die Argumentation durchläuft in einem Absatz mehrere Abstraktionsstufen.

Literaturwissenschaftler Eric Hayot ermittelte in wissenschaftlichen Texten ein häufig angewandtes Absatzschema von unterschiedlich abstrakten / konkreten Sätzen und Aussagen. In der Visualisierung ergeben diese Abstraktionsstufen ein „Uneven U“ (siehe Abb. links): Demnach beginnen Autor.innen Absätze mit einer recht abstrakten, problemorientierten Behauptung (Stufe 4). Über Deutungen (Stufe 3) und Zusammenfassungen von Texten und Beobachtungen (Stufe 2) führen sie dann zu konkreten Belegen (Stufe 1). Diese werden erklärt (Stufe 3) und reflektiert (Stufe 4) und in der Schlussfolgerung in größere, komplexere Zusammenhänge eingeordnet (Stufe 5).

Klingt das zu schematisch? Greifen Sie zu einem beliebigen Fachbuch und schauen Sie nach diesen Grundmustern. Bauen Sie eine Weile bewusst diese Muster nach. Sie gewinnen dadurch Klarheit über Ihre Argumentationsbausteine und Sicherheit beim Schreiben.

Es grüßt Sie herzlich aus dem [schreibzentrum.berlin]

Ihre
Dr. Daniela Liebscher

 

Text-Beispiel: Inger Newburn zeigt in ihrem Blog Thesiswhisperer, wie sie mit Hilfe des „Uneven U“ einen Text-Absatz umformuliert.

Bild: Eric Hayot, The Elements of Academic Style. Writing for the Humanities, New York 2014, S. 62.

E. Liebscher